HOME-OF-ROCK.DE – “The light of a new sun” Review - 

Written by : Fred Schmidtlein

J.C., J.C., what have you done to me?
Die Sache ist leicht erklärt, der so sympathische J.C. Cinel aus Piacenza hat sein zweites Soloprojekt nach langen Mühen fertig und - ja, er tut es wirklich - lässt damit die Sonne sogar in unserem frühherbstlichen Spätfrühlingssommer aufgehen. Außentemperatur: 16°; Herz-und-Seele-Rock-and-Roll-Innentemperatur: 28° bei leichtem Westwind und unbedingtem Sonnenbrillenzwang, es ist schließlich "The Light Of A New Sun" das uns hier entgegenstrahlt und kein schäbig beleuchtetes Hotel irgendwo in California. Wer bei dieser CD nicht auftaut, muss mindestens Eskimo sein.

Als vor vier Jahren das nach wie vor schöne Album "Before My Eyes" erschien, war J.C. noch Vorsänger der tollen, leider inzwischen eingeschlummerten Retro-Hardrocker WICKED MINDS, entsprechend überrascht konnte man über Cinels Mischung aus Country- und West-Coast-Rock sein, inzwischen ist unser Mann ein Kreativposten der nachgerade grandiosen JIMI BARBIANI BAND und wäre als handelsüblicher Sänger eigentlich ausgelastet. Aber unsere italienischen Freunde ticken einfach anders. Ohne kreativ auch nur ansatzweise mit der JBB in Konflikt zu kommen, konzipierte J.C. seine neue CD exakt entlang dem Scheitelpunkt seiner persönlichen Vorlieben und band gleich noch - Achtung! - Johnny Neel mit ein. Genau jenen Johnny Neel, der schon so viele Konzerte und Aufnahmen mit Barbianis Exband W.I.N.D. absolviert hat. So schließen sich die Kreise. Johnny Neel spielt bei vier Songs von "The Light Of A New Sun" Orgel bzw. Piano und zeigt wie immer seine Groove-Genialität.
Eines ist Cinel mit "The Light Of A New Sun" auf jeden Fall gelungen: Noch mehr als bei "Before My Eyes" hat man den Eindruck eines echten Band-Albums, nicht einer Soloeinlage eines missverstandenen Sängers. Sämtliche beteiligten Musiker liefern echtes Gefühl ab, nicht Fließbandarbeit wie bei so vielen sinnlosen Studioprojekten anderer "Fremdgänger".

"The Light…" ist eine ganze Ecke rockiger als sein Vorgänger, was zwar grundsätzlich begrüßenswert, aber kein Qualitätsmerkmal ist. J.C. Cinel hat allerdings wieder extremen Wert auf 100% durchkomponierte und -arrangierte Songs gelegt, so dass dem Hörer nach 11 Liedern bzw. knapp 60 Minuten gar nicht bewusst ist, dass die Hälfte der CD aus purem Schönklang besteht und eigentlich gar nicht wild fetzt. Und genau das ist die Kunst bei dieser Art von Musik, die vor vielen, vielen Jahren von Bands wie den EAGLES oder DOOBIE BROTHERS zuerst perfektioniert und später in den Kitsch-Abgrund gezogen wurde. Es muss eine Einheit zwischen Rock & Roll und Ballade geschaffen werden, die dem Hörer das absolute Wohlgefühl gibt. Cinel hat das geschickt hinbekommen. Als Beispiel seien die wunderschöne Ballade Islands mit ihren ausgetüftelten Vocals und der direkt-ins-Kuschelherz Lagerfeuergitarre und der stramme Highway-Rocker Nashville Nights genannt. In genau dieser Reihenfolge funktioniert derlei eigentlich aus der Zeit gefallene Musik immer noch, man ist einfach nur gut drauf als Konsument. Die Feinheiten, seien es giftige Gitarrenlicks, ein scharfes Keyboard oder wirbelnde Percussions, bekommt man erst nach etlichen Durchgängen mit, bis dahin erfreut man sich an Songs, die wie eine Höhensonne wirken.
Noch ein Beispiel: California Sunset (ein Titel, der alles hält was er verspricht) erinnert an Großtaten eines gewissen Jimmy Buffett und korrespondiert perfekt mit dem folgenden, federleicht schwer bluesenden White Soldier, das von Johnny Neels Orgel, einer funkigen Gitarre und Cinels Stimme getragen wird und wie ein Gleitschirmflug über menschenleere Strände in die Seele eindringt. Es gibt nicht so viele Musiker, die das können.
Mit A Place In The Sun ist ganz am Ende noch ein spezielles Schmankerl gelungen, das irgendwo zwischen George Harrison, Ravi Shankar und frühem Leo Kottke die endgültige Entspannung garantiert. Aber zur Beruhigung aller Rocker sei gesagt, dass mit Think Of Myself, Living On A Highway, Sweet And Wild und Nashville Nights reichlich Platz für barrierefreie Rock'n'Roll-Abfahrten geboten ist.

Rockmusik der klassischen Sorte aus Italien ist seit etlichen Jahren der Maßstab in Europa, "The Light Of A New Sun" legt die Latte nochmals höher. Die CD ist nicht gut, auch nicht sehr gut, sie ist mitico.

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